»Ich schaute auf die einsame Gestalt meiner Schwester, meine herzallerliebste »schlafende« Sonia. Ich sagte ihr lautlos Auf Wiedersehen. Und ich verabschiedete mich auch von Hanka, deren Körper ich nicht entdecken konnte. Und von allen anderen in diesem Haufen. Und von dem armen Mann weit draußen im Meer. Er winkte noch immer verzweifelt mit einem Arm.
Dann schaute ich nochmals auf Sonia, auf die Toten zu meinen Füßen, auf den armen jüdischen Mann dort draußen ganz allein im Meer, und ich schwor mir, dass – sollte ich den Krieg wie durch ein Wunder überleben – ich darüber schreiben würde. Damit die ganze Welt erführe, was die Deutschen uns hier angetan haben …«
Auszug aus »Massenmord am Ostseestrand« von Eva Nagler.
Mit einer Lesung in der Neuen Synagoge Berlin – Centrum Judaicum erinnerte die Stiftung Denkmal am 16. Januar an die umfangreichste Massenerscheißung auf deutschem Boden – vor 80 Jahren – im Januar 1945 in Palmnicken.
Die Schauspielerin Katharina Schüttler las aus den bewegenden Erinnerungen der Palmnicken-Überlebenden Eva Nagler. Sie wechselte sich mit Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal, ab, der das Thema historisch einordnete. Zuvor begrüßte Anja Siegemund, Direktorin des Centrum Judaicum, die etwa 90 Gäste, darunter die aus Australien, Israel und den USA angereisten Angehörigen Eva Naglers.
Der Bericht Eva Naglers Massacre on the Baltic erschien erstmalig 1995 und wird nun im Frühjahr 2025 von der Stiftung Denkmal in deren bereits 23-teiligen Zeitzeugenreihe auf Deutsch veröffentlicht.
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Die Lesung war eine Kooperationsveranstaltung mit der Stiftung Neue Synagoge – Centrum Judaicum.