Als Baby kam der Sinto Josef Muscha M. in eine deutsche Pflegefamilie und fand dort ein liebevolles, behütetes Zuhause. Durch seine Umwelt erfuhr er jedoch Ausgrenzung und Angriffe, die in ihm bleibende Fragen nach Zugehörigkeit und Herkunft auslösten. Mit zwölf Jahren wurde er zwangssterilisiert.
Schon als kleiner Junge wurde der 1932 in Bitterfeld Geborene in der Schule und Nachbarschaft immer wieder beschimpft und ausgegrenzt, ohne dies einordnen oder verstehen zu können. Auch als er eines Tages aus der Schule abgeholt und in ein Krankenhaus gebracht wurde, wusste er nicht, welche Operation an ihm vorgenommen werden sollte. Erst Jahre später erfuhr er von seiner Herkunft und der Zwangssterilisation. Von einer Widerstandsgruppe, in der seine Pflegeeltern aktiv waren, wurde Josef M. aus der Klinik entführt und bis zum Kriegsende versteckt. Da er selbst kinderlos bleiben musste, widmete er sein Leben der Arbeit mit Kindern und der Aufklärung über das Schicksal der Sinti und Roma während der Zeit des Nationalsozialismus. Seine eigene Familiengeschichte konnte er nie vollständig aufklären. Zum Zeitpunkt des Interviews war Josef M. 78 Jahre alt.
Josef Muscha M. (01127/sdje/0027), 10. Dezember 2010 (Berlin). Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Durchführung: Ruth Oelze, Daniel Baranowski und Daniel Hübner. Bearbeitung: Teresa Schäfer.