Am 4. Juni 2025 luden der Deutsche Bundestag und die Stiftung Denkmal zur Buchpräsentation von Jeanette Wolffs Zeitzeugenbericht »Sadismus oder Wahnsinn« in die Bibliothek des Deutschen Bundestages ein.
Julia Klöckner, Präsidentin des Deutschen Bundestages, begrüßte die zahlreichen Gäste mit den Worten: »Wir brauchen Erinnerung, und wir brauchen Erinnerungstexte!« Und weiter: »Eine Frau wie Jeanette Wolff entsprach vollkommen dem Feindbild der Nationalsozialisten. Eine engagierte Sozialdemokratin … Und aus ihrem Bericht, den sie bereits 1946 zu Papier brachte, wird uns Nina Kunzendorf nun vorlesen.«
Darauf folgte die Lesung aus dem Zeitzeugenbericht durch die Schauspielerin Nina Kunzendorf, die Jeanette Wolff auf beeindruckende Weise ihre Stimme lieh.
An die Lesung schloss sich ein moderiertes Gespräch zwischen Julia Franck, Schriftstellerin, und Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal, an – moderiert von Heidi Bräuer.
Julia Frank sprach von Jeanette Wolffs besonderer Resilienz, wie sie all das erfahrene Leid ertragen habe, als einen Ausdruck ihrer Liebe zum Menschen, … sowie als Ausdruck ihrer Liebe zu Gott.
Im Gespräch mit Uwe Neumärker, der die Besonderheit von Jeanette Wolffs früher Verschriftlichung des Erlebten, in deutscher Sprache, hervorhob, sprachen beide auch über die Aufgabe, die Verplichtung, die demokratische Grundordnung in diesem Land zu schützen und an die Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern. Wie dies am besten gelinge, fragte Moderatorin Heidi Bräuer, mit Wissen oder Empathie? Uwe Neumärker antwortete: »Ein Denkmal ist zum Denken da. Wir wollen Empathie wecken, aber das tun wir mit historischer Aufklärung … mit Wissen … Denken und fühlen müssen die Menschen dann selbst!«
Und Julia Frank schloss den Abend mit den Worten: »Ich denke, wenn alle Jugendlichen an einem Tag im Jahr sich in der Schule mit Anne Frank und Jeanette Wolff beschäftigen würden, entstünde die Empathie ganz von allein … da können Brücken geschlagen werden … im Miteinander!«
Hintergrund:
Jeanette Wolff (1888 – 1976) gehört zu den großen, mutigen Frauenpersönlichkeiten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Als Jüdin und SPD-Politikerin wird sie bereits im März 1933 von der SA für zwei Jahre inhaftiert. Im Januar 1942 verschleppt die SS sie nach Riga und im Sommer 1944 in das KZ Stutthof. Nach einem Todesmarsch wird sie am 26. Januar 1945 von der Roten Armee befreit. 1946 verfasst sie ihren Erlebnisbericht Sadismus oder Wahnsinn in Berlin. Im ersten Deutschen Bundestag ist sie die einzige weibliche Holocaust-Überlebende, eine mahnende Stimme bis zuletzt.
Eine Kooperation des Deutschen Bundestages und der Stiftung Denkmal ermöglichte nun die Neuauflage des Erlebnisberichts von Jeanette Wolff als wichtiges Zeitzeugnis gegen das Vergessen.
Zum Buch
1946 niedergeschrieben, ist »Sadismus oder Wahnsinn« einer der frühesten, publizierten Erlebnisberichte des Holocaust. Auf 64 Seiten schildert Wolff in eindringlicher Weise ihre Verfolgungserfahrung. Manches, schreibt sie im Vorwort, werde dem Leser grauenhaft erscheinen, aber so grausam, wie es wirklich gewesen sei, das wiederzugeben, dazu sei jede Sprache zu arm …