Auf Initiative und Einladung der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen reiste die Holocaust-Überlebende Ingeburg Geißler vom 22. bis 25. Juni 2025 nach Erfurt, in die Stadt, in der sie geboren wurde, um sich dort im Erinnerungsort Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz mit der Kuratorin der Ausstellung und ihren Kolleg/-innen über den Bildungsort und die Erinnerungsarbeit vor Ort auszutauschen. Kuratorin Annegret Schüle empfing Ingeburg Geißler und führte sie durch die Dauerausstellung. Anschließend gab die 92-Jährige ein mehrstündiges Interview, das künftig in der Bildungsarbeit des Erinnerungsortes eingesetzt werden soll. Darin sprach sie über die Auswanderung ihres Vaters nach China, im Winter 1938/39 und über ihren Großonkel, Hugo Krause, bei dem sie während des Krieges in Marbach, einem Vorort Erfurts, gelebt, und der bis 1942 in der Firma Topf und Söhne als Modeltischler gearbeitet hatte. »Ich bin mir sicher, dass er nicht wusste, für wen er da eigentlich arbeitete«, so Ingeburg Geißler.
Am nächsten Tag traf sich die Zeitzeugin mit zahlreichen Schülerinnen und Schülern von drei verschiedenen Schulen im Collegium Maius, einem Teil der bereits im Mittelalter eröffneten Universität Erfurt. Dort berichtete sie etwa zwei Stunden aus ihrem beinah 93-jährigen Leben. Im Anschluss stellten viele der jungen Menschen Fragen an Ingeburg Geißler. Organisiert hatte die Schüler-Begegnung ebenfalls die Landeszentrale für politische Bildung. Referatsleiterin Franziska Wittau begrüßte alle Anwesenden und dankte Ingeburg Geißler im Namen aller für ihr Engagement als Zeitzeugin. »Wir haben ja nur eine Welt – auf der müssen wir alle leben können«, begründete die 92-Jährige ihren Einsatz.
Dem Zeitzeugengespräch folgte eine Fahrt nach Marbach, in das ehemalige Haus von Ingeburg Geißlers Großonkel und -tante, bei denen die Zeitzeugin bis zu ihrer Deportation im Alter von 12 Jahren, im Januar 1945, gelebt hatte. Das Widersehen mit den jetzigen Eigentümern des Hauses, die seit vielen Jahren mit ihr verbunden sind, war herzlich. Danach fand ein weiteres Treffen mit einem alten Bekannten statt, mit dem Ingeburg Geißler als junges Mädchen im Marbacher Versteck, als sie bereits aus der Schule ausgeschlossen worden war, gespielt hatte. »Ach, so viele alte Erinnerungen – und hier werden sie alle lebendig«, schloss Ingeburg Geißler ihren Erfurtbesuch ab. »Ich komme ganz bestimmt wieder!«